The Big Short – Filmkritik
Mehr Dokumentation, als Spielfilm
Das ambitionierte Ziel, dem normalen Bürger die Wirtschaftskrise von 2008 verständlich zu machen, erreicht The Big Short nur teilweise, auch wenn er sich sehr viel Mühe gibt, die schwere Kost verdaulich zu machen. Man kommt nicht umher, sich eher wie in einer Dokumentation, als einem Spielfilm vorzukommen. Nicht die Protagonisten stehen im Vordergrund, sondern die Geschichte an sich. Kein Mensch ist die Hauptfigur in diesem Drama, sondern der Kapitalismus selbst, der die Seelen seiner Jünger für sich beansprucht und Unschuldige in den Abgrund stößt.
Der Mensch im Hintergrund
Aber am Ende bleiben dem Zuschauer doch immer die emotionalen Punkte eines Films, mit denen er mitfühlen kann, in Erinnerung. Und von denen gibt es zu wenige. Die Folgen für die Betroffenen des großen Schwindels werden nur angeschnitten. So richtet sich der Blick nur peripher in zwei kurzen Sequenzen auf obdachlos gewordene Menschen, die wohl Stellvertreter für die sechs Millionen Menschen, die in den USA ihre Häuser verloren haben, sein sollen. Während die Spekulanten, die auf das Platzen der Hypotheken-Blase gewettet haben, am Ende ihre Gewinne einstreichen, sieht man eine Familie, die jetzt in ihrem Auto lebt. Und schon davor wird bei einem Besuch der Stadt des Glamours und der Unterhaltung, Las Vegas, ein flüchtiger Blick auf Obdachlose, die in einem Tunnel hausen, geworfen. Das aber nur zum Abschied, wodurch die Bedeutung der von weit oben gezeigten, kleinen Figuren nur dem aufmerksamen Zuschauer wirklich klar wird.
Es hagelt Fakten
Was man dem Film zugutehalten muss, ist seine unkonventionelle Erzählweise und der Versuch, dem Publikum, das im Normalfall nicht viel mit dem Thema zu tun hat, den Stoff nahe zu bringen. Nicht nur einmal wird die vierte Wand durchbrochen, und einer der Protagonisten wendet sich direkt ans Publikum, um das Geschehen zu kommentieren oder zu erklären. Besonders häufig nutzt dieses Hilfsmittel Ryan Goslings (Drive, Gangster Squad) Figur Jared Vennett, der als Erzähler fungiert und durch seinen herablassenden, arroganten Umgang mit Anderen, neben der verschrobenen Art von Brad Pitts (Fight Club, Sieben) Ben Rickert, die meisten Lacher einheimst. Das direkte Ansprechen der Zuschauer ist eine gute Entscheidung. Diese Szenen, in denen nicht nur die Protagonisten, mit möglichst einfachen Beispielen die schwierigen Sachverhalte zu erklären versuchen, sondern auch Stars, die eigentlich nichts mit der Geschichte zu tun haben, in Kurzauftritten zu Wort kommen, sind bitter nötig. Ohne sie würde man von dem Hagel an Fakten und neuen Begriffen, der auf einen einprasselt, erschlagen. Denn diese kommen an manchen Stellen so gehäuft vor, dass man sich als Laie schwer tut, in der kurzen Zeit alles aufzunehmen und zu behalten. Auch wenn Erklärungen der Begriffe eingeblendet werden.
Die Chemie stimmt nicht
Adam McKay (Stiefbrüder, Die etwas anderen Cops), der mit diesem Film sein gewohntes Terrain verlassen und erstmals keine Komödie gedreht hat, gibt sein Bestes, die Materie locker und spaßig rüberzubringen. Doch Sequenzen, wie die, in denen Christian Bale (Der Maschinist, The Dark Knight) auf sein Schlagzeug eindrischt oder Montagen schnell zusammengeschnittener, kurzer Ausschnitte aus der popkulturellen Welt, die wohl die schwer verdauliche Handlung auflockern sollen, erzeugen genauso wenig den gewünschten Effekt wie die Untermalung von Szenen mit eher unerwarteten Musiktiteln. Was das angeht, sollte McKay nochmal Nachhilfe bei Scorsese oder Tarantino nehmen. Die Chemie stimmt nicht ganz zwischen den Szenen und den Liedern, die er für sie wählt.
Der Schock bleibt aus
Am Ende des Films fühlt man wenig. Der Schock, das die Finanzwelt korrupt und skrupellos ist, bleibt aus. Vielleicht, weil man schon zu abgeklärt ist und sich damit abgefunden hat, dass man betrogen wird. Vielleicht, weil man das Ende schon kannte. Aber vielleicht auch, weil man zu diesen Nutznießern der Krise, die man über zwei Stunden lang begleitet hat, keinen Draht aufbauen konnte. Die Schönlinge Pitt, Bale und Gosling in Sonderlinge zu verwandeln (bei den Perücken hätten sich die Maskenbildner ruhig etwas mehr Mühe geben können), ist zwar eine nette Idee und ihre Darstellungen sind einwandfrei, das hilft jedoch nicht dabei, eine Verbindung zu diesen Männern herzustellen. Als Drama kommt der Film nicht weit, als Lehrstunde taugt er aber auf jeden Fall.
Wem der Umgang mit dem Thema Finanzbetrug in The Wolf of Wall Street zu oberflächlich war und wer die Finanzkrise von 2008 verstehen möchte, sollte The Big Short anschauen. Vielleicht zweimal. Nur um sicher zu gehen. Wer jedoch leichte Unterhaltung wie in oben genanntem Scorsese-Spektakel erwartet, ist hier fehl am Platz.
Randnotiz: The Big Short basiert auf dem Buch „The Big Short. Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte“ von Michael Lewis und ist ein heißer Anwärter auf den Oscar als bester Film dieses Jahr.
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