Im Herzen der See

Der Mensch im Tiere

„Im Herzen der See“ handelt von einer Mannschaft Walfänger im frühen 19. Jahrhundert, deren Schiff von ihrer vermeintlichen Beute versenkt wird und sie so einem Überlebenskampf auf hoher See aussetzt. Das Ganze wird dem Autor des zweiten großen amerikanischen Romans, Herman Melville, von einem Überlebenden dreißig Jahre nach der Katastrophe erzählt. Der Film basiert jedoch nicht auf „Moby Dick“, sondern auf dem Buch „Der Untergang der Essex“ des Obermaats Owen Chase. Das führt vielleicht bei manchem zu falschen Erwartungen an den Film – die zusätzlich durch die Anwesenheit von Melville geschürt werden -, geht man jedoch unvoreingenommen ins Kino, kommt man in den Genuss von wilder Wasseraction und berührenden Schicksalen. Jedoch hat der Film auch ein paar Schwächen.
Auch wenn Brendan Gleeson (Gangs of New York, Königreich der Himmel) als alter Seebär fantastisch ist, hätte man auf den Erzähler (der nicht Owen Chase, sondern ein gealterter Schiffsjunge ist) besser zu Gunsten der Handlung und Spannung verzichtet. Diese Unterbrechungen stoppen nicht nur den Fluss der Geschichte, sie nehmen einen aus der Handlung heraus und zerstören so die Verbindung zu den Protagonisten und ihren Schicksalen. Diese Zeit hätte man besser für tiefergehende Blicke auf das Leben an Bord und die Gefühle der Besatzung verwenden sollen, was den folgenden Ereignissen mehr Bedeutung verliehen hätte. Und ganz nebenbei: der Erzähler berichtet auch von Dingen, bei denen er gar nicht anwesend war und somit nichts wissen kann.
Insgesamt muss man bei dieser Hochseejagd, wie auch bei seiner wohl größten filmischen Inspiration, dem „Weißen Hai“ von Steven Spielberg, ein wenig den Kopf ausschalten und sich darauf einlassen, dass das Meerestier eben rachsüchtig ist und gezielt seine Verfolger vernichten möchte. Auch wenn der Wal im Gegensatz zum Hai nicht bloß ein kaltblütiger Killer ohne Beweggründe ist, sondern seine Herde beschützt. Wenn man diese Vermenschlichung des Tieres akzeptiert, hat man viel Spaß mit dem Seefahrerabenteuer. Und am besten fährt man wohl, wenn man die Geschichte als Seemannsgarn betrachtet.

Richtige und falsche Perspektiven

Die zweite Zusammenarbeit von Ron Howard (Apollo 13, Illuminati) und Chris Hemsworth (Thor, Snow White and The Huntsman) funktioniert besser als Rush – Alles für den Sieg. Die Inszenierung ist gelungen, wenn auch mehr drin gewesen wäre – besonders im Hinblick auf den Einsatz des 3D-Effekts, der zwar Tiefe bietet, aber den Preisaufschlag nicht rechtfertigt.
Wie schon bei „Rush“ ist die Kamera oft auf Details gerichtet und viele ungewöhnliche Perspektiven wurden gewählt, durch die man, anders als bei dem Rennfahrerfilm, das Gefühl hat, mitten im Geschehen zu sein. So spürt man fast die Spannung in den gezurrten Tauen und den sich blähenden Segeln, und sonst normale Bilder wie ein Maiskolben, der von einem Hund gefressen wird oder ein Tritt in eine Pfütze (aus der Sicht der Pfütze) wirken hier außergewöhnlich.
Der 3D-Effekt jedoch hätte, wie bei fast allen Filmen dieser Machweise, stärker eingesetzt werden können. Besonders wenn man bedenkt, dass jegliche Action, die mit dem Wal zu tun hat oder unter Wasser spielt, animiert ist. Hier wurde eine Chance vertan. Wasser hätte einem ins Gesicht spritzen, der Wal sein Maul öffnen, um die Zuschauer zu verschlucken, oder sie mit seiner Schwanzflosse erschlagen können. Aber seit Avatar scheint sowieso kein Regisseur mehr den Anspruch gehabt zu haben, wirklichen Nutzen aus diesen Effekten zu ziehen, also sei das Howard verziehen.
Zu den Darstellungen der meisten Schauspieler kann man nicht viel sagen, außer dass sie solide sind, denn ihre Figuren bekommen nicht viel Beachtung, geschweige denn die Möglichkeit, sich zu entfalten. Der Fokus liegt auf dem Obermaat. Chris Hemsworth, der sich mit der Verkörperung starker Männer auskennt, ist klar der Held der Geschichte (was nicht sehr verwundert, bedenkt man, dass die Buchvorlage vom echten Owen Chase stammt). Dabei bleiben alle anderen außen vor, einschließlich des Erzählers.

Im Schatten des Klassikers

Natürlich zieht sich der Film an dem Namen „Moby Dick“ hoch, und natürlich sind die Figuren etwas klischeehaft und nicht so poetisch wie die des berühmten Romans, aber das tut dem Unterhaltungswert des Films keinen Abbruch. Natürlich gibt es keine so beeindruckende Figur wie Kapitän Ahab, was natürlich etwas schade ist, aber dafür war das Buch von Herman Melville auch nicht für die große Leinwand geschrieben. Wer hier eine poetische Charakterstudie erwartet, wird enttäuscht. Dafür bekommen wir ein bildgewaltiges Abenteuer auf hoher See und den Überlebenskampf Schiffbrüchiger zu sehen, die schwere Entscheidungen treffen müssen. So schwer, dass man sich fragt, was eigentlich moralisch vertretbar ist, um nicht zu sterben. Der Film ist ein spannendes Abenteuer mit nie zuvor gesehenen Bildern und einer mitreißenden Geschichte. Die Fehler, die er hat, fallen nicht schwer ins Gewicht und sind Meckern auf hohem Niveau.

Wer Filme wie Der weiße Hai oder Master and Commander mochte, wird auch mit Im Herzen der See eine gute Zeit im Kino haben.

Randnotiz: Bevor er überhaupt offiziell Teil des Marvel Cinematic Universes ist, treffen in diesem Film das erste Mal die Superhelden Thor und Spiderman aufeinander. Denn der Darsteller des jungen Tom Nickerson Tom Holland ist der nächste Schauspieler, der in das blau-rote Kostüm des Wandkrabblers schlüpft.

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