Beasts of No Nation

Ein Antikriegsfilm in knalligen Farben

Kann das gutgehen, wenn das Streaming-Portal Netflix einen eigenen Film produziert? Im Fall von Beasts of No Nation ist das mit einem benommenen Kopfnicken zu beantworten. In dem Drama begleitet der Zuschauer einen Jungen, der in die Fänge einer paramilitärischen Gruppe gerät und zum Kindersoldaten ausgebildet wird. Diese Geschichte, in der der Hauptdarsteller nicht nur seine Familie, sondern auch seine Unschuld verliert, schlägt einem in die Magengrube und rüttelt einen im bequemen Fernsehsessel auf. Bei diesem düsteren Antikriegsfilm, erzählt in knalligen Farben, bleibt einem das Popcorn im Halse stecken.
Doch der Film beginnt zunächst ganz anders. Es herrscht viel Heiterkeit im Leben des kleinen Agu. Er wächst in einem kleinen afrikanischen Dorf auf, das, genau wie das Land, in dem es liegt, nicht näher benannt wird. In dem Film wird kein konkreter Konflikt des Kontinents behandelt und auch nicht näher erklärt. Niemandem wird daran die Schuld gegeben. Nur dessen Auswirkungen gezeigt. Der fiktive Bürgerkrieg steht stellvertretend für die vielen realen Krisenherde Afrikas.
Das Dorf ist eine vermeintlich sichere Zone, die von Soldaten bewacht wird. Wovor wird erst allmählich klar. Agu und seine Freunde lassen sich von diesem Umstand aber nicht aus der Ruhe bringen und zaubern einem bei ihren Zeitvertreiben nicht nur einmal ein Schmunzeln ins Gesicht. Fast scheint es, als sei alles normal. Die Charaktere sind liebevoll dargestellt und es würde einem schwer fallen, sie nicht zu mögen, würde man es denn probieren. Agu ist ein gewitzter und frecher Junge mit Einfallsreichtum und Humor und die kurze Zeit der Sorglosigkeit lässt die darauf folgenden Ereignisse nur noch tiefer schneiden.

Eine Kindheit endet

Als die Rebellen näher rücken, schickt Agus Vater die Frauen fort, schafft es aber nicht, auch Agu in Sicherheit zu bringen. Die Männer bleiben zurück, um das Dorf zu verteidigen. Ironischerweise sind es nicht die Rebellen, durch die Agus verbliebene Familie umkommt, sondern die Truppen der Regierung, die die Dorfbewohner aus einer Laune des Schicksals heraus für Partisanen halten.
Agu kann als Einziger dieser Hinrichtung entkommen und flieht in den Busch. Auf sich allein gestellt versucht er zu überleben, bis er in die Hände der Rebellen fällt. Der Anführer, ebenso namenlos wie das Land und nur als Kommandant bekannt, fügt ihn sogleich seiner Schar von Kindersoldaten hinzu, mit dem Versprechen auf Rache an den Mördern seiner Familie. Agu bleibt dabei keine große Wahl.
Er wird trainiert und indoktriniert. In einem schamanistischen und brutalen Ritual wird er in die „neue Familie“ aufgenommen. Sie seien jetzt unbesiegbar, erzählt der Kommandant den neuen Mitgliedern seines Bataillons aus zerlumpten Gestalten. Aber sie müssten etwas dafür tun, um es zu bleiben. Das Vergnügen sei jetzt vorbei und die Zeit des Krieges gekommen.
Agus eigentliche Initiation wird von einem Donnergrollen rollender Militärfahrzeuge, die über eine Brücke brettern, unter der sich die Rebellen verstecken, angekündigt. Die Bedrohung des bevorstehenden Sturms spürt der Zuschauer genauso wie die Männer unter der Brücke. Dann bricht er los. Es folgt ein Kugelhagel und der Einschlag einer Rakete. Aus dem Hinterhalt überfallen die Rebellen den Konvoi und mähen jeden Insassen unbarmherzig mit ihren Maschinengewehren nieder. Niemand wird am Leben gelassen. Der Punkt, der den Rest des Films und Agus Leben bestimmt, ist gekommen: der Kommandant fordert Agu auf, einen Gefangenen zu erschlagen. Die Männer, die sie gerade getötet haben, seien die Männer, die seinen Vater ermordet hätten.
Eine Abwärtsspirale aus Gewalt, Verbitterung und Hass beginnt, in der Agu immer mehr abstumpft.

Der Neuling und die Naturgewalt

Schauspielneuling Abraham Attah, der Agu darstellt, weiß von der ersten Sekunde an zu begeistern. Der junge Mann kann einen ebenso zum Lachen wie zum Weinen bringen, und wird uns hoffentlich als Schauspieler erhalten bleiben. Idris Elba (Luther, Prometheus) überzeugt als skrupelloser, seine Männer mit Rhetorik und Ritualen motivierender Anführer. Seine Präsenz ist gewaltig und verstörend. Regisseur Cary Fukunaga (True Detective, Sin Nombre) macht alles richtig und lässt einen am Ende nachdenklich zurück. Agus Schicksal bleibt mehr oder weniger offen. Der Zuschauer stellt sich die Frage, was aus ihm nach all diesen grausamen Geschehnissen wird. Man weiß es nicht. Doch genau das soll doch ein gutes Drama erreichen: Emotionen auslösen und zum Nachdenken anregen.

Wer Filme wie Blood Diamond oder Drachenläufer mochte, sollte einen Blick in Beasts of No Nation wagen.

Randnotiz: Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Uzodinma Iweala.

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1 Antwort

  1. 8. Februar 2016

    […] wirkt das Ausbildungslager eher wie ein Spielplatz, als eine Schmiede für stahlharte Killer. Wäre Beasts of No Nation doch nur früher erschienen, womöglich hätten sich die Filmemacher dann eine Scheibe von diesem […]

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